Paschai


„Paschai für Anfänger“ (1986) – ein autobiografisches Zeugnis und Dokument gezielter Anwerbung und Manipulation von Kindern und Jugendlichen

Auf Mai 1986 datiert ist ein selbstgestaltetes Comic mit dem Titel „Paschai für Anfänger“, welches Andreas Kuhrt an zahlreiche Kinder und Jugendliche verteilte.

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In handschriftlich verfassten Texten, simplen Zeichnungen und collagierten Fotos von Jungen im Kindesalter und Motiven aus linksradikalen Zeitschriften erzählt Kuhrt hier seine (vor allem politische und sexuelle) Lebensgeschichte. Kuhrt ist zu diesem Zeitpunkt 25 Jahre alt. Etwa ein dutzend Namen von Kindern und Jugendlichen werden benannt, von denen der Autor prahlt, Liebes- oder sexuelle Beziehungen mit ihnen gehabt zu haben. Der jüngste dieser Jungen ist 7 Jahre alt. Berichtet wird aber auch von Gewalterfahrungen im Elternhaus, Ausreißversuchen sowie selbst erlebtem sexuellen Missbrauch durch einen Lehrer an der Oberschule, der ihn dazu bringt, sich zu prostituieren.
Eine im Comic dargestellte Erbauungsjahr-Inschrift an der Fassade (1889) und ein biographischer Artikel von Aro Kuhrt in der “Berliner Zeitung“(“…unserer Schule in der Graefestraße…”) legen nahe, dass es sich hierbei um die “Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule” (heute “Albrecht-von-Graefe-Schule”) handelte.

Bilder der Graefe Schule im Comic und auf Berlin.de

Als Wendepunkt wird eine Vergewaltigung durch einen erwachsenen Freier beschrieben. Seither, schreibt Kuhrt, habe er „keine sexuellen Beziehungen zu Älteren mehr.“

Parallel zur Beschreibung (Verklärung) seiner sexuellen Entwicklung, stellt Kuhrt sich als umtriebigen, politischen Aktivisten dar, der sich in der Westberliner Hausbesetzerszene aber auch in internationalen Zusammenhängen engagiert. Berichtet wird von einem, für Kuhrt enttäuschend verlaufenden, Ausflug zur Indianerkommune in Nürnberg und vom Zusammenleben in eigenen „Kommunen“ mit Jugendlichen in Berlin. In diesem Zusammenhang wird auch die Zugehörigkeit zur so genannten Morgenlandbande erwähnt.

Im Comic wird eine WG Kuhrts mit der Unterschrift “Morgenlandbande” beschrieben.

Aufgeführt werden auch ein Selbstmordversuch sowie Erfahrungen des Scheiterns in politischen und privaten Beziehungen. Zum Schluss des 18 Seiten umfassenden Comics stellt Kuhrt die 25 Jahre seines Lebens als „Tausendundein Versuch zu leben“ dar, er schreibt: „Paschai – ein Mensch voller Psychos. Ein Psychopat. (sic) Na und?“ und wirbt darum, mit ihm zusammen einen neuen Anfang zu versuchen. Dieser sollte sich bald schon mit der Gründung der Antifa Jugenfront und seiner Umbenennung von „Paschai“ zu „Pipo“ abzeichnen. (Auch die Gründung der Jugendgruppe gegen Faschismus und Rassismus fällt in den Mai 1986.)

Kuhrt hat sein Machwerk mehrfach kopiert und Kindern und Jugendlichen, für die er sich interessierte, oft mit einer persönlichen Widmung versehen, geschenkt. Was aus heutiger Sicht absurd, ja geradezu fahrlässig naiv und grenzenlos narzisstisch erscheint, ging Mitte der 1980er offenbar auf. Die anarchistische Ästhetik aus Comic und Collage, das Einstreuen linker Symbole und die Darstellung von sexueller Gewalt als etwas völlig Normales, benutzte Kuhrt auch in den kommenden Jahren immer wieder als Strategie, um Kinder und Jugendliche an sich zu binden.